In Tschechien bezichtigt Ano-Chef Andrej Babiš Flüchtlinge des Schmuggels mit Prostituierten. In Frankreich schüren Marine Le Pen und Éric Zemmour gezielt Stimmung gegen Kriegsvertriebene.

Der Krieg in der Ukraine dauert inzwischen schon länger als drei Jahre. Das stellt fast unmenschliche Anforderungen an den Widerstandswillen in dem Land selbst. Aber es fordert auch die Solidarität mit den vor den russischen Angriffen geflohenen Ukrainerinnen und Ukrainern und deren soziale Unterstützung in anderen europäischen Staaten. Die vom österreichischen Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer diagnostizierte “Hilfsmüdigkeit” ist auch in der Tschechischen Republik, in Polen sowie in Frankreich spürbar.
Besonders stark ist das in der vor den Anfang Oktober stattfindenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus aufgeheizten Stimmung in Tschechien zu beobachten. Das Land mit seinen rund elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern hat seit 2022 an die 400.000 Ukraineflüchtlinge aufgenommen (zum Vergleich: in Österreich mit seinen rund 9,2 Millionen Einwohnern waren es seit 2022 rund 80.000).
Babiš hetzt gegen “ukrainische Mafiosi”
Obwohl 80 Prozent der Ukraineflüchtlinge im arbeitsfähigen Alter arbeiten, verbreiten Politiker wie Andrej Babiš und Tomio Okamura gezielt Falschinformationen. Der rechtspopulistische Ano-Chef Babiš ist Favorit für das Amt des Ministerpräsidenten. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der ausländerfeindlichen SPD, Tomio Okamura, nutzt er gezielt Fake News. Ziel ist es, Stimmung gegen Kriegsvertriebene zu machen. Bei einer Ano-Wahlkampfveranstaltung in Frenštát pod Radhoštěm im Februar sprach Babiš sogar von „ganzen Busladungen“ voller „ukrainischer Mafiosi“. Diese würden angeblich Helferinnen und Prostituierte ins Land schmuggeln.
Ukrainerinnen und Ukrainer haben in Tschechien nur zu einer einzigen Sozialleistung Zugang: zu einer eigens für sie ins Leben gerufenen humanitären Hilfe von umgerechnet rund 200 Euro monatlich. Vulnerable Vertriebene, also etwa Menschen mit Behinderungen, können zusätzlich umgerechnet 240 Euro Wohngeld beziehen. Auch beide Summen zusammen sind aber völlig unzureichend.
Polen gegen Gleichstellung bei Familienhilfe
Auch in Polen, das mit seinen rund 37 Millionen Bewohnern rund 994.000 Vertriebene aus dem Nachbarstaat Ukraine aufgenommen hat, verschlechterte sich in den vergangenen zwei Jahren die an sich höchst zugewandte Atmosphäre gegenüber diesen. Knackpunkt ist laut einer Untersuchung von Soziologinnen und Soziologen der Universität Warschau die Unterstützung der Flüchtlinge durch Sozialleistungen.
So lehnten bei einer Befragung im heurigen Jahr 55 Prozent die Gleichstellung der Ukrainerinnen bei einer mit der österreichischen Familienbeihilfe vergleichbaren Unterstützungsleistung für Eltern unter 18-jähriger Kinder ab. Nur 22 Prozent fanden es richtig, dass Ukrainer wie Polen umgerechnet 188 Euro pro Monat unter diesem Titel erhalten.
In Frankreich weiter höchst willkommen
Weniger eingebüßt hat die positive Einstellung gegenüber den – im Ländervergleich weit weniger – Menschen aus dem osteuropäischen Land in Frankreich. Rund 57.500 Ukrainerinnen und Ukrainer leben in dem 68-Millionen-Einwohnerinnen-Staat. Abgesehen von der Anhängerschaft des rechtspopulistischen bis rechtsextremen Front National und der Kleinpartei Reconquête um Éric Zemmour, zeigen sich große Teile der Bevölkerung offen. Quer durch die politische Landschaft heißen 82 bis 95 Prozent der Wählerschaft die Geflohenen nach wie vor willkommen.
Ukraine-Flüchtlinge erhalten in Frankreich die gleichen Leistungen wie Asylwerbende: 6,80 Euro pro Tag, wer bei Freunden lebt; 14,20 pro Tag, wer Miete zahlen muss. Angesichts der hohen Lebenskosten und der Inflation in Frankreich ist das viel zu wenig, vor allem im Raum Paris.